Moderation Gregor Dotzauer (Der Tagesspiegel)
Lutz Seiler war mit seinem Erzählungsband „Die Zeitwaage“ für den Leipziger Buchpreis 2010 nominiert und galt vielen als heimlicher Favorit. Und dies nicht etwa, weil ein bedeutender Lyriker seine ersten Prosatexte vorlegt, sondern weil sich in ihnen eine erzählerische Virtuosität zeigt, die sich in den elf Geschichten immer wieder neu entfaltet. Bei aller Präzision in den Beschreibungen von Städten, Landschaften und Menschen schwingt ein magisches Moment mit, das den Erzählungen etwas von der Realität Entrücktes verleiht. Allein die Zeiten und Orte der Seilerschen Shortstories verlieren sich häufig im Ungefähren und sind doch rekonstruierbar. So lassen sich biographische Fäden von der Kindheit und Jugend in einem Dorf der DDR bis hin zu einem Rummelpark an der amerikanischen Ostküste ziehen.
Über allen Geschichten aber schwebt ein verhängnisvolles Fatum. Es mag die Ex-DDR sein, die ihre Schatten bis in die Gegenwart wirft und die „einzigartige Traurigkeit“ der Erzählungen erklärt, die Jens Jessen in DIE ZEIT konstatiert. Doch wer bei Seiler nur die Melancholie sieht, der verkennt die feine Ironie und den die Groteske touchierenden Humor, der sich wie ein Kobold durch die Geschichten schleicht und ihr Timbre um eine helle Note nuanciert.
Ort OpernTurm, 18. OG, Tishman Speyer, Bockenheimer Landstr. 2–4 Eintritt 6 Euro / ermäßigt 4 Euro
Anfahrt U6/7 (Alte Oper), alle S-Bahnen außer S7 (Taunusanlage)